Archiv
.




Gib 8 im Achten 

30.10. bis 2.11.08

Österreichisches Museum für Volkskunde

Die 8: eine mystische Zahl, deren stetige Wiederkehr in Jahren mit historischer Bedeutung nahezu unvermeidlich ist? Mittels einer Handvoll Filmen und historischen Analysen versuchen wir einen Weg durch den Nebel der Geschichte und Geschichtsschreibung zu finden.





Programm

Do, 30.10.08, 18.00 Uhr
1848: Vortrag Gerold Wallner
(Übersetzer und Historiker)

1848 gilt als das Revolutionsjahr schlechthin. Dabei zerfällt uns das Datum unter der Hand. Was ist wirklich geschehen? Erlauben die Durchsetzung von Verfassungen und die so genannte Bauernbefreiung es wirklich schon, von Revolutionen zu sprechen? Ist mit 1848 auch nicht die Vorstellung der gescheiterten Revolution verbunden, wenigstens für den deutschsprachigen Bereich? Weist 1848 auch nicht schon wieder hinaus über die bürgerliche Herrschaft, die es etabliert und politisch konstituiert hat?


Do, 30.10.08, 19.30 Uhr
1918
: Kaiserschnitt
(R: Alfred Kaiser, Ö 1977)

 
Ausschließlich aus Foto- und Filmdokumenten der Jahre 1895 bis 1914 collagiert, komponierte Kaiser einen historischen Totentanz, "eindrucksmächtig, einbrechend in Tiefenschichten von Menschen, die sich ihm aussetzen, wo er die große Zertrümmerung montiert", wie es seinerzeit Friedrich Heer formulierte.





Fr, 31.10.08, 19.00 Uhr
1938: Kurzfilmprogramm

20/68 Schatzi (R: Kurt Kren, Ö1968, 3 min)

Heimkehr. Wien 1941/1996 (Inst. f. Evidenzwissenschaft, Weihs/Domes, Ö 1996, 5min)
Die pathostriefende Beschwörung von Heimat und Nation (aus dem Nazi-Film Heimkehr) wird in Bruchstücke zerlegt und mit Schrift auf der Leinwand konfrontiert.
      

Ein 3. Reich (R: Alfred Kaiser, Ö 1975, 29 min)
Ein drittes Reich basiert auf der Verwendung von Film- und Tonmaterial der Reichsfilmindustrie der Nationalsozialisten, teilweise sehr prominenter Propagandafilme aber auch relativ unbedeutender "Kulturfilme", in denen sich die alltägliche Ästhetik des "Dritten Reichs" sehr offen manifestierte. Hartmut Bitomsky schrieb 1983 über das Montageprinzip der Kulturfilme: "Durch jeden Schnitt geht eine gleichförmige Bewegung durch, sie ergreift mit rotierenden, stoßenden Gesten jedes Bild, das in den Weg kommt." Kaiser radikalisiert dieses Prinzip so, daß es in sein Gegenteil umschlägt: Er zerlegt die filmischen Abläufe, bis das Material an seinen eigenen Widersprüchen erstickt.

Ein 3. Reich aus seinem Abfall (R: Alfred Kaiser, Ö 1976/77, 25 min)
Die Vortsetzung und Erweiterung von "Ein 3. Reich".

Günther 1938 (R: Johannes Rosenberger, Ö 1994 , 8 min)


Fr, 31.10.08, 20.30 Uhr
1938:
Aus einem deutschen Leben
(R: Theodor Kotulla, D 1977, 140 min)

„Was ich glaube, ist unwesentlich. Ich habe nur gehorcht.“ Das Psychogramm eines pflichtbewussten Deutschen.
Wie der Roman basiert der Film auf Verhörprotokollen des Prozesses gegen Rudolf Höß, SS-Offizier und Kommandant des Konzentrations- und Vernichtungslagers Auschwitz, sowie auf dessen autobiographischen Aufzeichnungen, die er in britischer und nach seiner Auslieferung in polnischer Haft im Jahr 1946/47 geschrieben hatte, bevor er als verurteilter Kriegsverbrecher hingerichtet wurde. Statt dem Namen Rudolf Höß, an dessen Lebenslauf sich die Handlung orientiert, wird im Film − einer verallgemeinernden/anonymisierenden Intention folgend − das Pseudonym Franz Lang verwendet. Der reale Rudolf Höß war unter diesem (falschen) Namen nach dem zweiten Weltkrieg zunächst als vermeintlicher Bootsmaat untergetaucht, bis er 1946 enttarnt und verhaftet worden war.



Sa, 1.11.08, 19.30 Uhr
1968 West: Model Shop
(R: Jacques Demy, F/USA 1968, 92 min)

Agnès Vardas Ehemann Jacques Demy hielt sich mit ihr im Mai 68 in Los Angeles auf, um seine erste Hollywood-Produktion zu realisieren, ein ungeschöntes Bild der USA mitten im Vietnam-Krieg. MODEL SHOP (USA/F 1968) ist die melancholische Fortschreibung der Geschichte von Lola, Demys Langfilmdebüt aus dem Jahr 1960, wiederum mit Anouk Aimée in der Hauptrolle. Von der romantischen ersten großen Liebe ist allerdings nicht mehr die Rede. MODEL SHOP ist ein Film über die Möglichkeit zweiter Chancen, ein sehnlichst erhoffter Traum, vielleicht sogar eine utopische Flucht vor dem Hintergrund einer alptraumhaften Wirklichkeit.


So, 2.11.08, 19.30 Uhr
1968 Ost: Tausendschönchen
(R: Věra Chytilová, CSSR 1966)

Lustig war es zu Zeiten des Prager Frühlings. Als 1966 Vera Chytilovás "Tausendschönchen" in die Kinos kam, hatten die Sechziger noch nicht ganz ihren Höhepunkt erreicht. Aber der Film war bereits voll von libertinem 68er-Spirit - dem guten, unkorrumpierbaren, weil bösartig verspielten.

Was Chytilová aber tatsächlich gemacht hatte, ist mindestens bahnbrechend gewesen: Sie stellte nicht nur die Regeln des Filmemachens auf den Kopf, den Formalismus der konservativen Avantgarde, sondern nicht weniger als die ganze Welt. "Tausendschönchen" ist das konsequenteste Beispiel einer Kunst, die buchstäblich durchdreht - wie in einem Cartoon, nur unschuldiger (möchte man auf den ersten Blick meinen, aber gleichzeitig entlarven Bilder von Napalm-Teppichen dies als Trugschluss). Es ist ein blütenweißer Anarcho-Feminismus, der mit Schmollmund und großen, runden Mädchenaugen vorgeführt wird. Schon Godard wusste, dass mit solchen Mädchen die Revolution zu gewinnen ist.
Ein Hauptwerk der Tschechischen Neuen Welle, verboten nach der Zerschlagung des Prager Frühlings.



Veranstaltungsort:
Österreichisches Museum für Volkskunde
Laudongasse 15-19, A-1080 Wien

Unterstützt von Bezirk Josefstadt