ArchivFilm&Theorie
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2008: Familienbande


Donnerstag, 11.12., 19.00 Uhr
Das Schweigen (Tystnaden)
R: Ingmar Bergman, D: Ingrid Thullin, Gunnel Lindblom, Jörgen Lindström;
S 1963; 90 Minuten; OmU


Drei Jahre vor Persona entstand Das Schweigen: ein dunkler Bergman Film über Einsamkeit, Sex, Ambivalenz und Tod, der bei seinem Erscheinen Anfang der 1960er Jahre unter „Pornographieverdacht“ geriet. Die schwerkranke Übersetzerin Ester (Ingrid Thulin) und ihre Schwester Anna (Gunnel Lindblom) finden sich mit ihrem Sohn Johan auf einem Zwischenstopp ihrer Reise in einem kaum bewohnten Hotel wieder. Der Aufenthalt in einem Land, dessen Sprache unverständlich bleibt, und alle damit verbundenen Ereignisse und Entwicklungen sind eng mit der Abwesenheit des toten Vaters verbunden.

Referat:

Judith Fischer
(Researcherin - Philosophie/Kunst/Literatur/Film, Autorin) im Depot




Dienstag, 4.11., 19.00 Uhr - Top Kino

REQUIEM
R: Hans-Christian Schmid; D: Sandra Hüller, Burghart Klaußner, Imogen Kogge
D 2006: 93 Minuten, OV


Tübingen und Umgebung, Anfang der 70er Jahre. Die junge Michaela Klingler (Sandra Hüller) verlässt ihr streng katholisches Elternhaus, um ein Studium zu beginnen. Glücklich, das kleinbürgerliche Umfeld hinter sich gelassen zu haben, genießt sie die ersten Schritte in der neuen Freiheit und findet mit Hanna (Anna Blomeier) und Stefan (Nicholas Reinke) schnell Freunde. Doch Michaela wird von ihrer Vergangenheit eingeholt: Trotz ärztlicher Behandlung hat sie immer öfter mit epileptischen Anfällen und Wahnvorstellungen zu kämpfen. Sie hört Stimmen und glaubt, von Dämonen besessen zu sein. Schließlich begibt sich Michaela in die Obhut eines jungen Priesters und stimmt einem Exorzismus zu ... 

Referat:

Robert Buchschwenter
(Filmwissenschaftler, Dramaturg,  Disc-Jokey und Fernsehmoderator )



Donnerstag, 9.10, 19.00 Uhr - Top Kino
Affliction (Der Gejagte)
R: Paul Schrader; D: Nick Nolte, Brigid Tierney, Holmes Osborne; USA 1997; 113min; OmU

Polizist Wade Whitehouse (Nick Nolte) lebt seit der Scheidung von seiner Jugendliebe Lillian (Mary Beth Hurt) in einem Wohnwagen. Sein Bruder Rolfe (Willem Dafoe), ein College-Professor, hat der Familie schon lange den Rücken gekehrt. Wade verdient sich mit kleinen Gelegenheitsarbeiten für den prominentesten Büger des Ortes (Homes Osborne) ein Zubrot. Als auf einem Jagdausflug ein hoher Gewerkschaftsfunktionär (Sean McCann) tödlich verunglückt, glaubt Wade an eine Verschwörung. Er sucht und findet Beweise. Doch die Suche endet in einer Katastrophe.

Referat:

Affliction erzählt von gebrochenen Männern, denen es
nicht gelingt, sich aus ihren gewaltgeprägten Beziehungsgeschichten zu befreien. Absonderung, Ausweglosigkeit und die Flucht in Gewalt – ein Themenkomplex, welcher Schrader seit seinem Drehbuch für Scorseses Taxi Driver nie mehr losgelassen hat. Schrader dazu: „Ich mag genau
die Charaktere, die andere nicht für einen Filmhelden ge -eignet halten. Angeblich weil sich der Zuschauer damit
nicht identifizieren kann. Aber wenn man die Welt aus ihrer Perspektive sieht, dann wird sie sehr interessant.“

Referat von Philipp Penetzdorfer (Filmwissenschaftler, Musiker, DJ)



Donnerstag, 13.3., 19.00 Uhr - Top Kino
Capturing The Friedmans
R: Andrew Jarecki; USA 2003, 107 Min.

Thanksgiving 1987: das Haus der Friedmans, einer bürgerlichen Familie mit drei Söhnen in Great Neck, Long Island, wird von der Polizei durchsucht. Familienvater Arnold, pensionierter Lehrer mit einer Leidenschaft für Musik und Performance-Künste, der bei sich zu Hause den Nachbarskindern Computerstunden gibt, versteckt in seinem Hobbyraum Kinderpornographie.

Die anschließenden Untersuchungen der lokalen Behörden bringen zu Tage, dass nicht nur der Vater, sondern auch Sohn Jesse Nachhilfeschüler unzählige Male sexuell missbraucht haben soll. Dazwischen ereignet sich, was man als eine moderne Hexenjagd bezeichnen könnte. Arnold gesteht, zweimal «die Grenze überschritten» zu haben, allerdings nicht in seinem Wohnort.

Referat:

Capturing the Friedmans ist Albtraum einer Familie und Traum eines Dokumentarfilmers in einem: In den späten Achtzigern werden der pädophile Vater Arnold Friedman und sein jüngster Sohn in Dutzenden von Fällen des Kindsmissbrauchs und der Vergewaltigung bezichtigt. (Text: Andrea Bleuler)

Referat von Geri Weber im Depot



Montag, 10.4., 19.00 Uhr - Top Kino
The Icestorm

R: Ang Lee;D: Kevin Kline, Joan Allen, Courtney Peldon, Henry Czerny; USA 1997, 113 Min.

Die Watergate-Affaire hat erst begonnen, der Vietnam-Krieg ist bereits zuende, doch inmitten dieses an sich ruhigen Lebens kündigen sich schon die Stürme der Zukunft an. Das Leben zweier Familien aus gehobenen Ostküsten-Mittelstand der USA im Jahr 1973: Der Mann geht fremd mit der Nachbarin, die frustrierte Ehefrau ist kleptoman und die Kinder machen, was sie wollen. Ang Lee beschreibt eine innerlich zerrüttete, amoralische Gesellschaft, die ihre Leere und Verzweiflung in Ehebruch, Depression, und lächerlich anmutenden Ausbruchsversuchen zu ersticken sucht.


Referat:

„Die Familie ist sowas, wie die Antimaterie von einem selbst“, formuliert der 16jährige Paul gleich zu Beginn das Grundmotiv dieses psychologischen Dramas. Irgendwo in den Siebzigern, [...] findet in transparenten, rundum verglasten Ostküsten-Villen die Selbstzerstörung des großbürgerlichen Scheinliberalismus statt. Gefilmt in kühlen Tönen und langen Einstellungen: Hollywood-Realismus at its best. (Maya McKechneay)

Referat von Philipp Penetzdorfer



Donnerstag, 29. Mai, 19.15 Uhr - Top Kino
A History of Violence
R: David Cronenberg; D: Viggo Mortensen, Maria Bello, William Hurt, Ed Harris, Ashton Holmes;
USA 2005, 96 min

Als Coffeshop-Besitzer Tom Stall von zwei Räubern überfallen wird, erschießt er
diese in Notwehr und avanciert dadurch zum Kleinstadthelden, sodass sein bisher idyllisches Familienleben mitsamt Frau und Kindern in den Mittelpunkt der Medien gerät. Der Aufruhr um ihn erfährt eine drastische Wendung, als Tom von dem geheimnisvollen Fogarty aufgesucht wird, der ihn beschuldigt, ein Verbrecher zu sein. Nun beginnt ein Spiel mit verschiedenen Identitäten, eskalierender Gewalt und deren Auswirkungen sowie fließenden Übergängen zwischen Realität und Fiktion.

Referat:

Joachim Schätz
(Filmkritiker, Falter)
2007: It´s all about money


Di, 9.10.,  2007 19.00
Mildred Pierce
R: Michael Curtiz, USA 1945, 111 min

Egal was Veda will - ihre Mutter Mioldred Pierce macht es möglich. Auch wenn es bedeutet, dass Mildred aus ihrer bürgerlichen Ehe ausbricht, sich in der von Männern beherrschten Geschäftswelt durchsetzt und einen reichen Mann heiratet, den sie gar nicht liebt.



Referat:

Mit ihrer Verkörperung von Mildred Pierce gelang Joan Crawford 1945 ein spektakuläres Comeback. In diesem Nachkriegs-Film-Noir unter der Regie von Michael Curtiz stellt sie eine ambitionierte, alleinerziehende Frau dar, die aus eigener Kraft den sozialen und ökonomischen Aufstieg betreibt und unter patriarchalen Rahmenbedingungen zu Fall gebracht wird. Eine melodramatische Variante des Schneewittchenmotivs.


Referat: Judith Fischer



Di, 25.9., 19.00
Onibaba
Regie und Buch: Kaneto Shindo, Japan 1965, 100 min

Eine aufwühlende Anklage des Krieges, vermittelt durch eine blutige Legende aus dem mittelalterlichen Japan: zwei Frauen hausen inmitten einer riesigen Schilflandschaft in einer Bambushütte. Um zu überleben, lauern sie desertierten Kriegern auf, töten sie und rauben sie aus.



Referat: Maya McKechneay



Di 19.6., 2007
Aguirre, der Zorn Gottes
R: Werner Herzog, D 1972, 93 min, D: Klaus Kinski, Helena Rojo, Del Negro, Ruy Guerra

Die Geschichte des spanischen Conquistadors Lope de Aguirre, der im Amazonasdschungel nach dem sagenhaften Goldland El Dorado sucht. Hunger, Fieber und Indianerüberfälle zermürben seine Truppe, und langsam geht sie zugrunde. Besessen versucht Aguirre noch das Meer zu erreichen, um dann ganz Neuspanien an sich zu reißen und mit seiner 15jährigen Tochter eine neue Dynastie zu gründen ...

Referat: Lob der Goldgier, 21.15 Uhr

Im Europa der frühen Neuzeit wurde der Wunsch nach einer neuen Wunderwelt laut. Man fand sie im sagenumwobenen Eldorado, das sich aber nicht wie die bisherigen perfekten Reiche Atlantis oder Utopia durch hehre gesellschaftliche Ideale, sondern einzig und allein durch seine unermesslichen Goldvorhaben auszeichnen sollte. Der spanische Conquistador Aguirre schweisselt und mordet sich ohne Rücksicht auf Verluste durch den brasilianischen Dschungel auf der Suche nach dem "neuen Gott Gold": Das Psychogramm dieses Getriebenen wirft die Frage auf, ob er programmatisch für seine Zeit war. (Wolfgang Popp)

Referent: Wolfgang Popp
Studium der Sinologie und Geschichte, Kulturredakteur



Di 22.5., 2007
Hat Wolff von Amerongen Konkursdelikte begangen?
R: Gerhard Friedl, D/Ö 2004, 73 min

Das Langfilmdebüt von Gerhard Friedl ist die bemerkenswerteste Entdeckung im deutschsprachigen Kino der letzten Jahre: ein hypnotisches Vexierspiel an der Schnittstelle von Dokument, Essay und pulp fiction facts. (Christoph Huber, Filmmuseum Wien)

Referat: Geld im Umgang, 21.00 Uhr

Paranoia, Messianismus und Gedächtnisbildung in Gerhard Friedls "Hat Wolff von Amerongen Konkursdelikte begangen?"
Gerhard Friedls Film macht die Unsichtbarkeit wirtschaftlicher Macht sinnfällig: Die Tätigkeit der Arbeitenden wird ebenso wenig "dargestellt" wie die verästelten Machinationen der Konzerne. Eine Festmachung steht aus: Weder kann die Wertschöpfung der anonymen Individuen in der Erfolgsgeschichte der BRD ins Recht gesetzt noch kann über die steuerschonend-schlüpfrige Selbstverwertung des Kapitals gerichtet werden.
Diesen Ausstand macht der Film nahezu körperlich spürbar, indem er die Wahrnehmung im Riss zwischen Bild und Ton und im Verschwinden der Wirtschaft in der Geschichte situiert (wobei Geschichte auch die tausend Tics jener Flicks, Oetkers und Amerongens ist, die Wirtschaft treiben und die Wirtschaft umtreibt). Film mache ein Schwinden erfahrbar, steht in einer Notiz des Regisseurs. Sein Film behandelt Geld im Umgang: den profitablen Umlauf des Geldes, den Umgang mit ihm als geldgeprägten Alltag und sein spukhaftes Umgehen im Bildergedächtnis. (Drehli Robnik)

Referent: Drehli Robnik
Filmwissenschaftler, Lehrtätigkeit: Universität Wien, Masarykova univerzita Brno, Universität für Angewandte Kunst; Publikationen zur Ästhetik und Geschichtlichkeit des Films.
2006: Macht der Gefühle


Mo 27.11., 2006
The Others
R: Alejandro Amenàbar, USA 2001
D: Nicole Kidman, Alakina Mann,Fionnula Flannigan, Christopher Eccleston, 104 min, OmU

England 1945: In dem alten Landhaus, dass die Kriegswitwe Grace (Nicole Kidman) mit ihren Kindern Anne (Alakin Mann) und Nicholas (James Bentley) bewohnt, herrschen seltsame Regeln. Eine Tür darf erst geöffnet werden, wenn die vorherige geschlossen ist, und die Vorhänge müssen immer geschlossen bleiben. Das, so erklärt Grace dem neuen Hauspersonal, sei notwendig um das Leben ihrer Kinder zu schützen, die unter einer starken Sonnenallergie leiden. Doch es sind nicht nur die Regeln, die in diesem Haus seltsam sind.

Referat:

Eine Frau, zwei Kinder und ein großes Haus. Auch ohne jede sichtbare Bedrohung gehört The Others zu den unheimlichsten Filmen der letzten Jahre. Was macht uns eigentlich solche Angst an Amenábars Konzept der ewig ortsgebundenen Existenz? „Haunted Houses“ sind in Film und Literatur Gebäude und Zonen, in denen die Lebenden den Toten begegnen, Kreuzungen von Fakt und Fiktion, Orte, an denen Kontakt und Kommunikation hypnotische Formen annehmen. The Others als filmisches Wahrnehmungsexperiment mit Licht, Klang und Bewegung im geschlossenen Raum.

"Where are we?"- Text zum Referat von Maya McKechneay

Referentinnen: Maya McKechneay,  Filkritikerin; 
Judith Fischer, Künstlerin




Mo 25.9., 2006
Die Nacht singt ihre Lieder
R: Romuald Karmakar, D 2003, 95 min, D: Frank Giering, Anne Ratte-Polle

Ein junges Paar. Er liegt auf dem Sofa und liest. Sie hält das nicht mehr aus. Am Nachmittag kommen die Schwiegereltern, Baby gucken. Abends geht sie aus, der junge Mann wartet. Sie kommt zurück - aber nicht alleine.






12. Juni 2006
Lichter
Hans Christian Schmid, D 2003, 105 min, Mit Anna Janovskaja, August Diehl

Zwei Länder, zwei Orte, ein Fluss. Die Oder trennt nicht nur das deutsche Frankfurt vom polnischen Slubice, sondern ganze Welten. Menschen, egal ob arm oder reich, suchen hier ihr Glück - und stoßen dabei an ihre Grenzen.
LICHTER ist ein Film über Menschen, die - durch ihr Schicksal für zwei Tage untrennbar miteinander verbunden - stehlen und betrügen, lieben und helfen, hoffen und verzweifeln.


Referat:

Der Film Lichter führt die mit Migration, Unternehmertum, Schmuggel, Fluchthilfe, Lokalisierung oder Transgression verbundenen Erzählungen an einem Ort zusammen. Dieser Ort wird weniger durch die Existenz einer Staatsgrenze und die Aussicht auf ihre Überschreitung definiert, als vielmehr durch die Widerstände, die sich den Wünschen der Protagonisten dort in den Weg stellen. Wie sich zeigt, ist das nächste Licht an diesem Ort immer das falsche.

Referent: Vrääth Öhner, Filmwissenschafter



Mo 8. Mai 2006
Old Boy
Regie: Chan-Wook Park, Südkorea 2003, 118 min, OmU, Mit: Choi Min-Sik, Yoo Ji-Tae, Gang Hye-Jung

Ein unauffälliger Geschäftsmann wird von Gangstern gekidnappt und in eine fensterlose Ein-Zimmer-Wohnung gesperrt ein Fernsehgerät ist sein einziger Kontakt zur Außenwelt. 15 Jahre später lässt sein Entführer ihn frei; jetzt soll er herausfinden, warum er festgehalten wurde. Es scheint, dass er eine Figur in einem teuflischen Spiel ist. Die surrealistisch-klaustrophobische Manga-Adaption wurde dieses Jahr in Cannes mit dem Großen Preis der Jury ausgezeichnet.

Referat:

Als Oh Dae-su aus dem Zimmer entlassen wird, in das er, ohne zu wissen wieso und von wem, fünfzehn Jahre eingesperrt war, ist er ein hypersensibles Monster, das sich gegen das Gesetz auflehnt, welches hinter dem Vollzug seiner nachwirkenden Isolationsfolter steht. Er ist ein Mensch, der die Gesetze der Kommunikation neu lernen muss, mit einer an allen Ecken und Enden "verschobenen" Existenz.
Dementsprechend verschoben sind auch die Raum-Zeit- Koordinaten von Oldboy: sie erzeugen eine Atmosphäre der Unsicherheit und  Fragilität. Korrespondierend mit der Handlung, unterzieht Park  den  Erzählstrukturen eine  Tortour des Zerstückelns und Amputierens ohne Aussicht auf Vergebung.

Referent: Robert Buchschwenter



13. März 2006
Moebius
R: Gustavo Mosquera, D: Guillermo Angelelli, Roberto Carnaghi, Jorge Petraglia
Argentinien 1996, 88 min, OmeU

Eine U-Bahn verschwindet und mit ihr etwa 30 Passagiere. Niemand weiß wo sie sich im U-Bahn-Netz von Buenos Aires befindet. Ein junger Ingenieur wird damit beauftragt, dieses Rätsel zu lösen.
Der argentinischen Regisseur Gustavo Mosquera knüpft an ein reiches Erbe des „Magischen Realismus“ der Science-Fiction und Mystery-Kultur an, wenn er in seinem low-budget Film Moebius die U-Bahn gleichzeitig als phantastisches Symbol und Inbegriff der Gegenwartskultur einsetzt. Darin verweben sich die Entdeckungen des Leipziger Mathematikers Moebius über die Durchlässigkeit von Raum und Zeit raffiniert mit den Erzählungen Jorge Luis Borges und den Parabeln Franz Kafkas.

Referat:

Das U-Bahn-System von Buenos Aires wird zum Labyrinth einer Parallelwelt, die beunruhigenderweise direkt unter der Oberfläche der Alltagsrealität zu beginnen scheint. Mit seinen narrativen und visuellen Anspielungen kann der Film auch als Metapher auf ein kollektives Gedächtnis und damit auf die jüngere Geschichte Argentiniens gelesen werden.

Referent: Gerald Weber,
2005: Out of time


Mi 11. Mai 2005
Filme von Martin Arnold
pièce touchée (1989), 16 min
passage à l'acte (1993), 13 min
Alone.
Life Wastes Andy Hardy (1998), 16 min

„Das Hollywoodkino ist ein Kino des Ausgrenzens, Reduzierens und Verleugnens, ein Kino der Verdrängung. Daher sollte man nicht nur auf das achten, was gezeigt wird, sondern auch auf das, was nicht gezeigt wird. Hinter dem Dargestellten steht immer etwas, das nicht dargestellt wird. Und genau das ist das wirklich Interessante. Eine Kultur ist in ihren Lehrstellenerkennbar...“ (Martin Arnold)


Referat

In pièce touchée, passage à l’acte und Alone. Life Wastes Andy Hardy unterzieht Martin Arnold Ausschnitte aus klassischen Hollywood-Filmen einer intensiven Bearbeitung. Arnolds künstlerisch-analytische Auseinandersetzung mit dem amerikanischen Unterhaltungskino greift mit Vorliebe auf
banale und gerade deshalb repräsentative Szenen zurück. Das Ergebnis ist ein 16 minütiger Film, der in seinen zeitlichen und räumlichen Vibrationen die Grundelemente der Kinematografie sichtbar werden läßt, nämlichdie einzelnen Fotogramme, deren Verkettung die Basis des filmischenIllusionismus bildet. Arnolds Bearbeitung liefert zwar ein Äquivalentmenschlicher Bewegung, verwandelt dabei aber den kontinuierlichen Fluß des Ausgangsmaterials in diskontinuierliche, pulsierende Bilder, die ihren Statusals Artefakt enthüllen.

Referentin: Gabriele Jutz, Filmwissenschaftlerin und Lehrbeauftragte an der Universität für angewandte Kunst




Mi  8. Juni 2005
Eternal Sunshine of the Spottless Mind
USA 2004 OmU, R: Michael Gondry, D: Jim Carrey, Kate Winslet, Kirsten Dunst

Was, wenn es möglich geworden ist, die
Erinnerungen zu löschen? Ist es so leicht, den
einstmals Geliebten zum Verschwinden zu bringen. Kann
diese Technik gegen das Schicksal obsiegen?

Referat

“Der Name Lampe muss vergessen werden“, notierte Kant einmal, nachdem er seinen langjährigen Diener hatte entlassen müssen. Bewusst-vergessen-Wollen ist ein Vorhaben, an dessen Erfolg gezweifelt werden darf. Was aber, wenn technische Prothesen diesen organg erleichtern könnten? Wenn es durch einen gesellschaftlich sanktionierten, psychohygienischen Vorgang möglich wäre, unliebsame Erinnerungen aus dem Gedächtnis zu verbannen? Dieses Gedankenexperiment unternimmt Michel Gondrys vielschichtiger Beziehungsthriller Eternal Sunshine of the Spotless Mind. Und setzt sich dabei wie vor ihm schon Blade Runner, Memento oder der soeben neu aufgelegte Manchurian Candidate mit der Manipulierbarkeit des menschlichen Gedächtnisses auseinander. Ein weiteres What-if-Szenario über die Bedeutung des Gedächtnisses im Zeitalter einer fetischisierten Erinnerungskultur.
 
Referentin: Maja McKechneay, Filmkritikerin



Fr 11. November 2005
The Cooler
USA 2003, R: Wayne Kramer, D: William H. Macy, Alec Baldwin, Länge: 102 min., OV
   
In einem anachronistischen Casino in Las Vegas gilt das Spielerpech von  Bernie als so stabil, dass der Geschäftsführer dieses instrumentalisiert."The Cooler" bringt also Erfolgssträhnen an Tischen zum kippen - biser sich in eine Kellnerin verliebt und sich vorerst einmal alles ändert.

Referat: Das „Hetero-Camp“ im Kino

Regisseur Wayne Kramer wendet Wohleingeführtes: Das Genre des Melodrams,die Idee eines „Spielerparadieses“ in Nevada, das Sprichwort vom „Glück im Spiel“. Und er tut dies auf eine doppelbödige Weise, die im Rahmen von der “Macht der Gefühle“ über ironisch postmodernes Collagieren hinaus in die als “Camp“ bezeichnete Ästhetik und Rhetorik hinausreicht - ein Begriff, der vor gut achtzig Jahren öffentlich wurde, von fünfzig Jahren skizziert, vor vierzig Jahren in einem folgenreichen Essay umrissen, seit etwa zwanzig Jahren ausanalysiert und verwendet, eben in Wien erst in der Retrospektive „Andy Warhol. Filmmaker“ schillernd präsent - und immer noch ein unscharf schillernder kultureller Mythos, ein zwiespältiges Phänomen.

Referent: Hans Christian Leitich, Studientätigkeit in Kunstgeschichte und Architektur, Filmredakteur in Wien



Dienstag,  13. Dezember  2005
In the Mood for Love
Regie u. Buch: Wong Kar-wai, Hong Kong 2000, D: Maggie Cheung, Tony Leung, u.a.
Länge: 90 min, Kantonesisch mit dtUT

Hong Kong 1962: Der Chefredakteur einer lokalen Tageszeitung Chau und seine Frau wechseln ihren Wohnsitz. Bald lernt Chau Li-chun, eine sehr hübsche junge Frau kennen, die ebenfalls erst vor kurzem mit ihrem Ehemann in diese Gegend gezogen ist.
Die beiden werden gute Freunde, aber eines Tages müssen siefeststellen, daß ihre beiden Partner eine Affäre miteinander haben - dies verändert auch die Beziehung zwischen Chau und Li-chun.

Referat: Wunderbare Jahre hinter staubigem Glas

Wong Kar-wai hat sich einmal als DJ auf dem Regiesessel bezeichnet. Was er in seinem Film „In The Mood For Love“ sampelt, sind Gefühle. Er legt Klangteppiche aus Nostalgie, loopt Melancholie, setzt vereinzelte aber intensive Sehnsuchts-Beats. Drei Gefühle, Stimmungen, deren Übersetzung in einen anderen kulturellen Kontext vielleicht viel zu leichtfertig geschieht. Dabei ist es doch äußerst wahrscheinlich, dass diese Begriffe in der anderen Kultur qualitative Unterschiede oder andere Konnotationen besitzen. Das 20. Jahrhundert hat in China einige Befreiungsschläge – politischer und kultureller Natur – von den feudalistischen Denkmustern mit sich gebracht. Auf dem Gebiet der Literatur und des Films gab es Vorreiter, die die Emotionen als Thema erst auf den Tisch gebracht und gesellschaftsfähig gemacht haben. Wo sind Bezüge zwischen ihnen und Wongs Film abzulesen? Lässt sich der Konflikt, der damals ausgetragen wurde, auch in Wongs Film entdecken? Ein kurzer historischer Exkurs zu einigen Sonderlingen im Shanghai der 30er Jahre zeigt hier interessante Verbindungen auf. Die Art, wie hier Gefühle Darstellung fanden, schien neu zu sein.
Was dieses Neue war, welcher spezifischer bildsprachlicher Mittel, inszenatorischer Kniffe und dramaturgischer Wendungen sich Wong bediente, darauf soll im letzten Teil des Vortrags eingegangen werden.

Referent: Wolfgang Popp. Studium der Sinologie und Geschichte. Freier Journalist und Filmemacher.




Buchpräsentation
12.5.06, 19.30 Uhr, Top Kino


Linda Bilda (Hg.)
Drehen sie Filme, aber keine Filme !
Ernst Schmidt jr. –Filme und Filmtheorie 1964–1987

Die erste umfassende Dokumentation über Ernst
Schmidt jr`s filmisches und theoretisches Arbeiten beschreibt, was man an Fülle formalen Reichtums  und inhaltlicher Thematisierungs - möglichkeiten zu Film bieten kann.
Das Buch „Drehen sie Filme, aber keine Filme!“,
Edition Uhudla A – Reihe Tri/Ton. wird nach einem Verlagswechsel neu präsentiert.


Film zum Buch

12.5.06, 20.00 Uhr

WIENFILM 1896 - 1976
Regie: Ernst Schmidt jr., A 1977, 117 Minuten

Mit: Friedrich Achleitner, Marc Adrian, H.C.
Artmann, Valie Export, Ernst Jandl,  Friederike
Mayröcker, Otto Mühl, Arnulf Rainer, Gerhard Rühm, Peter Weibel ...

"Dieser Film ist eine Art Anthologie über Wien seit der Erfindung des Films bis zur Gegenwart. Das Klischee des üblichen ,Wienbildes' (wie etwa im ,Wiener Film') soll durchbrochen werden durch die Gegenüberstellung dokumentarischen Materials, neu gedrehter Szenen und subjektiven, von verschiedenen Künstlern entworfenen Sequenzen."  (Ernst Schmidt jr.)


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